Trockenheit und Hitze: „Müssen uns den Bedingungen anpassen“

Erstellt am 17. März 2023 | 06:30
Lesezeit: 6 Min
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Matthias Siess, Winzer aus Oggau und Obmann der Wein Burgenland.
Foto: Wein Burgenland
Matthias Siess ist Winzer aus Oggau und Obmann der Wein Burgenland, die für das heimische Weinmarketing verantwortlich zeichnet. Mit der BVZ sprach er über den Jahrgang 2022, die klimatischen Veränderungen und neue Trends von Orange-Wine bis PetNat.

BVZ: Der Jahrgang 2022 kommt langsam vom Keller in die Flaschen in die heimischen und internationalen Weinregale. Was erwartet uns im Glas?

Matthias Siess: Wir hatten 2022 auch über 500 Millimeter Niederschlag im Landesschnitt, das darf man nicht vergessen. Nur leider waren viele Starkregenereignisse und lange Trockenphasen dabei - es hat sich schlecht über das Jahr verteilt. Im Juli war schon zu beobachten, dass die Spannung der Weintrauben wegen des Wassermangels nachlässt. Zum Glück kamen dann im August doch noch Niederschläge, das war wichtig.

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Wein Burgenland-Obmann Matthias Siess mit Landesrätin Astrid Eisenkopf und Weinbaupräsident Andreas Liegenfeld bei der Weinlese.
Foto: BVZ, Gregor Hafner

Das Burgenland ist bekanntlich klein, aber langgezogen. Die Bedingungen sind also im trockenen Norden also anders als im feuchteren Süden.

Siess: Im Südburgenland gab es Regionen mit über 600 Millimeter pro Jahr, im Bezirk Neusiedl waren es teilweise nur 400. Das wirkt sich natürlich auch auf den Ertrag aus: Landesweit waren es im Vorjahr 5.800 Liter pro Hektar, um den Neusiedler See nur 4 .200 Liter. Im Südburgenland war der Hektarertrag entsprechend stark, was in der Statistik ein bisschen den Norden kaschiert. In trockenen Jahren ist es natürlich schwierig. Normalerweise kamen wir schon auf 7.000 bis 7.500 Kilogramm pro Hektar.

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Der Ertrag in den Weingärten war 2022 bescheiden, die Weine sind qualitativ dafür besonders hochwertig.
Foto: Wein Burgenland

Zahlenmäßig war 2022 also nicht berauschend. Was die Qualität angeht, wird aber in vielen Weinkellern nur in höchsten Tönen über den Jahrgang geredet. Ist das Lob berechtigt?

Siess: Dank der späten Regenfälle war es doch noch ein guter Jahrgang. Qualitativ ist der 2022er jedenfalls ein wirklicher starker Jahrgang, die Weine sind schön ausgereift. Vor allem die Burgundersorten - Chardonnay, Weißburgunder, Grauburgunder! Und der Rotwein! Tiefdunkel, das ist unwahrscheinlich. Ein wunderbar ausgewogenes Gefüge von Tanninen und Säure. Fast schwarz im Kern. Beim Roten wird es sicher ein Spitzenjahr.

Langfristig gesehen wird sich der Weinbau aber wohl auf weniger Niederschlag, aber mehr Starkregenereignisse einstellen müssen. Wo geht die Reise hin?

Siess: Man sieht es schon an der Größe der Weinreben. Viele schauen gar nicht mehr über den Draht, man muss teilweise auch nur einmal im Jahr die Triebe stutzen. Damals, in den feuchten 80er-Jahren, waren wir mindestens dreimal jährlich. Die Weinrebe ist aber zum Glück ein Tiefwurzler und macht weniger Probleme als etwa Weizen. Der Zweigelt hat es schwer. Es gibt ja auch die ,Zweigelt-Krankheit‘, bei der niemand die Ursache kennt. In der Enphase der Reife beginnt der Stock abzusterben, die Trauben reifen nicht fertig. Ist es Kalium-Mangel, Stress, Trockenheit - man weiß es nicht. Beim Blaufränkisch haben wir überhaupt keine Probleme, dem geht es bestens.

Gute Nachrichten für das Mittel- und Südburgenland also. Schlechte für den Norden. Was heißt die Entwicklung also für unsere Sortenvielfalt?

Siess: Heiß diskutiert sind die PiWi-Sorten (pilzwiderstandsfähige Sorten; Anmerkung BVZ) und trockenresistente Sorten, etwa aus Südfrankreich. Dort gibt es maximal 300 Millimeter Niederschläge und die haben trotzdem Weinbau, tiefdunkle Rotweine. Da gilt es für die Zukunft, das Sortenmaterial in Klosterneuburg in der Zucht einzubringen und so das beste für unsere Gegebenheiten herausholen.

Wird der Jahrgang 2032 dann ganz anders schmecken als der aktuelle?

Siess: Naja, bei diesen Sorten braucht es noch einen Qualitätsschub, damit er sich bei uns wirklich durchsetzen kann. Jeder bei uns will den besten Wein machen, den er kann. Man kann natürlich auch bei der Bodenbearbeitung ansetzen, bei der Begrünung, damit der Boden nicht gleich austrocknet, wenn ein bisschen die Sonne scheint. Man stellt sich schon um. Man muss sich umstellen, wenn kein Wasser da ist. Im Seewinkel wird es ein heißes Thema werden, mit der Bewässerung.

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Beim Weißwein darf man sich vor allem auf die Burgundersorten des Jahrgangs 2022 freuen. Hier etwa Winzer Robert Klampfer bei der Lese.
Foto: Wein Burgenland

Muss man im Weinbau großflächig bewässern, wenn die Jahre immer heißer werden?

Siess: Manche Weinbauern setzen bereits auf Tröpfchenbewässerung. Die ist aber sehr gezielt und eher wassersparend. Es gibt stimmen, die sagen, es macht Sinn. Andere sagen, es ist nicht gut, weil ein trockener Jahrgang anders schmecken muss als ein verregnetes. Mit gezielter Bewässerung, wie in der Wachau, sind Ertrag und Qualität natürlich konstant. Aber der Wein schmeckt immer gleich, jedes Jahr.

Ein philosophisches Streitthema unter Winzern?

Siess: Die Frage ist, ob ein Wein als Qualitätsprodukt immer gleich schmecken muss oder als Naturprodukt immer anders schmecken muss. Es muss natürlich wirtschaftlich sein. Du brauchst 7.000 bis 8.000 Kilogramm pro Hektar, darunter wird es Existenzbedrohend. Da muss man teurer verkaufen - und Kunden finden, die das bezahlen. Eine einfache Antwort gibt es da nicht.

Apropos große Winzer, kleine Winzer: In den Jahren 2019 stöhnten vor allem die Kleinen unter extrem niedrige Preise für den Verkauf der Trauben oder der Weine im Gebinde an größere Weinbaubetriebe. Wie hat sich der Preis entwickelt?

Siess: Das war eine starke Krise. Für den Kilogramm Trauben bekamen die Winzer teilweise nur 25 Cent. Wein im Gebinde war noch unrentabler. Das war sehr bedenklich. Da gab es schon heftige Diskussionen, auch im Österreichischen Weinmarketing. Und letztlich sogar Konsequenzen an der Spitze. Aber das hat sich jetzt zum Glück auf höherem Niveau stabilisiert. Jetzt sind es etwa 70 Cent bis 1,30 Euro, je nach Qualität. Für ein Flasche guten Liter Wein kostet das notwendige Traubenmaterial im Zukauf jetzt über einen Euro. Eigentlich ein ganz vernünftiger Preis. Aber wie in der Champagne geht es uns nicht, dort ist der Preis bei sieben Euro. Da können wir nicht mithalten.

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Matthias Siess mit Gattin Maria im Familienweingut in Oggau.
Foto: Weingut MAD

In hippen, urbanen Lokalen ist „Natural Wine“ besonders angesagt. Wie steht es um den Wein-Trend im nicht gerade urbanen Burgenland?

Siess: Bei allem Hype muss man klarstellen, das es sich dabei natürlich um ein Nieschenprodukt handelt. Vieles davon ist qualitativ nicht auf dem selben Niveau wie die meisten konventionelle Weine - auch wenn es hier in den letzten Jahren einen Schub gegeben hat. Aber es ist gut, dass das Angebot im Burgenland so breit gefächert ist.

Wie viel fehlt dem Burgenland vom Stellenwert in der Weinwelt denn noch auf die Champagne?

Siess: Dort sind wir freilich noch nicht ganz dort. Aber wir können international absolut mithalten. In Österreich sind wir natürlich klar Nummer eins. Im Preis der Weine spiegelt sich das aber nicht wieder. In der Wachau kosten die Weine ein vielfaches von unseren, in der Südsteiermark liegen die Preise irgendwo dazwischen.

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Beim Weißwein darf man sich vor allem auf die Burgundersorten des Jahrgangs 2022 freuen.
Foto: Wein Burgenland