Neues „Einkaufszentrum“ erhitzt die Gemüter in Neudörfl

Erstellt am 11. März 2023 | 06:00
Lesezeit: 6 Min
Bipa und Penny Neudörfl
Penny und Bipa sollen abgerissen werden und in ein "Einkaufszentrum" integriert werden, das auch einen Billa enthalten soll.
Foto: StreetView
Was die Spatzen die vergangenen Tage und Wochen schon von den Dächern pfiffen, wird nun offenbar umgesetzt. Bereits vor zwei Wochen fand die gewerberechtliche Bauverhandlung zum neuen „Einkaufszentrum“ der Rewe-Gruppe statt.

Anfang Februar wurde in der BVZ bereits über das Gerücht berichtet, in Neudörfl würde ein neuer Billa gebaut. Damals wurde von der Presseabteilung des Rewe-Konzern, zu dem die Lebensmittelhandelskette Billa gehört, schriftlich mitgeteilt, dass im Bezirk Mattersburg und somit auch in Neudörfl „derzeit keine Filiale in einem Stadium ist, an dem wir gesicherte Zahlen und Fakten vorliegen haben.“ Mittlerweile fand an der BH Mattersburg die gewerberechtliche Bauverhandlung statt. Zahlen und Fakten zum Projekt wollte oder konnte die Pressestelle nach zweimaligen Nachfragen nicht bekannt geben. „Wir haben Ihre Anfrage erhalten und warten auf Rückmeldung der zuständigen Fachabteilung. Wir melden uns gerne, sobald wir die Informationen erhalten haben“, heißt es.

Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich für viele Neudörfler

Dass größere Bauprojekte nicht immer die uneingeschränkte Zustimmung aller Gemeindebürger erhalten, liegt in der Natur der Sache. Im aktuellen Fall verhält es sich nicht anders. Ein Anrainer, der vor einem Jahr ein Reihenhaus unmittelbar neben dem geplanten Neubau bezog und der bei der Baurechtsverhandlung teilnahm, berichtet seine Bedenken. Laut dem Anrainer, der anonym bleiben möchte, würde ein „Einkaufszentrum“ mit einer Gebäudefläche von circa 3.500 Quadratmetern und einer Verkaufsfläche von 2.300 m2 entstehen. In den Gebäuden sollen sowohl Bipa, Penny sowie zusätzlich ein Billa untergebracht werden. Den bestehenden Bipa- und Penny-Gebäuden sollen Parkplätzen weichen. Der Anrainer ist der Meinung, dass das Projekt viel zu groß ausfallen würde und äußert Befürchtungen betreffend seiner Lebensqualität, die er durch den Bau einschränkt sieht. Vor allem die Kondensatoren, die auf Höhe der Schlafzimmer der Reihenhäuser sein würden, bereiten ihm jetzt schon Kopfzerbrechen. „Die Kondensatoren muss man sich als riesige Ventilatoren vorstellen, die am Eck des Gebäudes im unmittelbaren Nahbereich bei uns – ich rede von etwa zehn Metern – platziert werden. Im Sommer werden wir unsere Fenster sicher nicht mehr offen lassen können.“ Hätte er vor einem Jahr gewusst, dass sich so ein Projekt in Planung befinde, wäre er gar nicht erst eingezogen, sagt er. Ein Nachbar habe bereits beschlossen wegzuziehen, was aber natürlich mit Kosten verbunden ist. Auch stellt sich für ihn grundsätzlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit. „Direkt gegenüber ist der Eurospar, ein paar Meter weiter der Lidl, im Ort selber ist noch ein Nah&Frisch und der Penny. Einen Billa gibt es eineinhalb Kilometer weiter in Wr. Neustadt. Braucht Neudörfl noch ein zusätzliches Lebensmittelgeschäft? Ich hätte Verständnis, wenn im Umkreis nichts wäre. Aber so...“ Das ganze Projekt hätte immerhin eine Fläche von über einen Hektar. „In Zeiten von Bodenversiegelung ist das natürlich auch ein Wahnsinn.“

Im Sommer werden wir unsere Fenster sicher nicht mehr offen lassen können Ein Anrainer (Name der Redaktion bekannt)

Bürgermeister Dieter Posch war ebenfalls bei der gewerberechtlichen Bauverhandlung anwesend. Bei dieser handelt es sich im Grunde um eine Besprechung zwischen dem Bauwerber, dem Baubehördenvertreter und den sonstigen betroffenen Parteien. Dabei wird das Bauvorhaben erklärt. Eventuelle Bedenken und Anregungen können eingebracht werden. Ziel der Bauverhandlung ist es, eine möglichst einvernehmliche Lösung zu finden und Konflikte im Vorfeld zu vermeiden. Posch sagt, er verstehe und teile die Sorgen der Anrainer. Er habe aber auch ein Vertrauen in die Behörden, dass gesetzliche Vorgaben und Grenzwerte, unter anderem etwa zu Lärmemissionen, letztendlich auch eingehalten werden. „Ich hatte das Gefühl, dass die Vertreter von Rewe durchaus ein offenes Ohr für die Anliegen und Wünsche der Anrainer hatten.“ Der Anrainer selbst sieht das etwas anders: „Ich hatte den Eindruck, dass die Kooperationsbereitschaft genau bei Null liegt. Ein Vorschlag war, dass man die Kondensatoren um ein oder zwei Meter versetzt. Das wäre bautechnisch möglich. Da war die Geschichte aber schon erledigt.“ Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo dazwischen liegen.

Auf eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines zusätzlichen Nahversorgers möchte sich der Bürgermeister nicht einlassen. Aus ökologischer Sicht sieht er das Ganze aber durchaus nicht nur negativ. „Wenn ich den ehemaligen Spar mit dem jetzigen vergleiche ist das, was Energietechnik und ökologische Standards betrifft, 100 zu 1.“ Genauso werde es auch dementsprechende Verbesserungen und Adaptierungen beim „Einkaufszentrum“ geben, ist sich Dieter Posch sicher.

Grün-Gemeindevorständin ortete Versäumnisse im Gemeinderat

Auch Grün-Gemeindevorständin Sabine Schügerl meldet sich zum Thema zu Wort. Sie kritisiert, dass der Gemeinderat bereits vor Jahrzehnten verabsäumt habe, Bebauungspläne und Richtlinien zu erlassen, um die Weichen für eine verantwortungsvolle und ökologische Raumplanung zu stellen. „Wenn damals klar festgelegt worden wäre, wie und was auf einem Grundstück gebaut werden kann, hätte die Baubehörde heute ein gestalterisches Instrument in der Hand und könnte verhindern, dass mehrgeschossige Wohnblöcke zwischen Einfamilienhäuser oder Gewerbebetriebe neben Wohnhäuser gebaut werden. So aber bleibt lediglich die Berufung auf die Burgenländische Bauordnung, die leider nur die notwenigsten Kriterien regelt."

Petition „Raumplanung mit Verantwortung in Neudörfl JETZT“

Auch eine „Petition an Bürgermeister Dieter Posch und den Gemeinderat“ mit dem Namen „Raumplanung mit Verantwortung in Neudörfl JETZT“, die jetzt gestartet wurde, unterstützt Schügerl. Bis 2026 müssen alle burgenländischen Gemeinden – somit auch Neudörfl – ein örtliches Entwicklungskonzept vorlegen. In der Petition wird eine volle Transparenz und die verpflichtende Einbindung von allen Neudörflerinnen und Neudörflern mittels Bürgerbeteiligungsverfahren bei der Erstellung des Entwicklungskonzepts gefordert. „Es muss die Stimme der Neudörfler Bevölkerung gehört werden, denn die Zukunft unserer Gemeinde geht uns alle an. In Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens muss auch eine Kommune ihren Beitrag zu einer ökologischen Entwicklung – Natur statt Beton – leisten. Eine verantwortungsvolle und ökologische Raumplanung ist dabei zentrales Gestaltungsinstrument in der Gemeinde", so Schügerl, die eine der ersten Unterzeichnerinnen der Petiton war.

Ein zusätzliches Detail am Rande: Vorigen Donnerstag wurde im Landtag eine Novelle des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes 2019 beschlossen. Zentraler Punkt darin: „Supermärkte und Einkaufszentren mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs sollen in Zukunft nur mehr in Ortskernlagen errichtet oder erweitert werden dürfen.“ Ein Anrainer (Name der Redaktion bekannt) merkt folgendes an: „Wer Bipa und Penny kennt, weiß dass sich der Baugrund für das ‚Einkaufszentrum‘ ziemlich am Ortsrand von Neudörfl befindet.“ „Ich gehe schon davon aus, dass Rewe gewusste hat, wann der Termin für den Beschluss der Novelle im Landtag angesetzt wurde“, sagt Bürgermeister Dieter Posch. Und der Anrainer: „Für uns ist das alles natürlich doppelt und dreifach bitter.“

Bis 30.4.2023 kann die Petition noch unterschrieben werden. Mehr Infos zu den Forderungen finden Sie hier.