„Bürgerbeteiligung wird fixer Bestandteil sein“

Erstellt am 29. März 2023 | 12:00
Lesezeit: 6 Min
Rathaus Neudörfl
Die Petition richtet sich direkt an Bürgermeister Dieter Posch und die Gemeinderäte und Gemeinderätinnen.
Foto: Gemeinde
Bis zum 30. April läuft noch die Petition „Raumplanung mit Verantwortung in Neudörfl JETZT“, die an den Neudörfler Bürgermeister und die Gemeinderäte adressiert ist. Bürgermeister Dieter Posch und die Parteivorsitzenden berichten, wie sie zu den Forderungen der Petitionen stehen.

Spätestens 2026 müssen alle Gemeinden im Burgenland ein örtliches Entwicklungskonzept erarbeitet und vorgestellt haben. Eine Gruppe von Neudörflern fordert, dass ein solches Entwicklungskonzept gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erstellt werden muss. Denn wie die Gemeinde in zehn oder zwanzig Jahren aussehen, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen, ist „Sache aller“. „Die Zukunft von Neudörfl geht uns alle an. Fragen, wo Neudörfl in Zukunft wie bebaut werden darf, wie sich die Gemeinde raumplanerisch entwickeln oder wie das Ortsbild aussehen soll, betreffen uns alle. Eine verantwortungsvolle und ökologische Raumplanung ist jetzt gefordert. “, heißt es in der Petition. Konkret geht es den Initiatoren der Petition unter anderem darum, eine weitere Bodenversiegelung, Zersiedelung und Schwächung des Ortskerns zu verhindern.

Grüne Partei steckt hinter der Petition

Was aus der Petition nicht sofort ersichtlich wird: verfasst hat sie die Grüne Partei Neudörfl. Offiziell wird allerdings die Neudörflerin Heidrun Paul genannt. Grünen-Ortsparteichefin Sabine Schügerl erklärt , warum: „Mein Partei-Kollege Raphael Fink hat die Petition online gestellt. In kürzester Zeit trudelten auch die ersten Unterschriften ein, bis die Petition nach ca. drei Stunden plötzlich als ‚unangemessen gemeldet‘ und einen Tag lang gesperrt wurde.“ Wer dafür verantwortlich gewesen ist, weiß Schügerl nicht. „Es wurde kritisiert, dass politische Funktionäre auf der verwendeten Plattform keine Petitionen initiieren dürfen. Ich bin aber nicht nur Kommunalpolitikerin, sondern auch Privatperson.“ Deshalb wurde die Petition noch einmal hochgeladen mit der nunmehrigen „Initiatorin“.

Die Petition fällt terminlich auch zusammen mit dem Bekanntwerden, dass in Neudörfl ein neues Großprojekt des Rewe-Konzerns geplant ist, bei dem Penny und Bipa abgerissen werden sollen und gemeinsam mit einer Billa-Filiale in ein neues „Einkaufszentrum“ integriert werden. (die BVZ berichtete) Auch das wird in der Petition angesprochen. Bürgermeister Dieter Posch verwies in dem Zusammenhang allerdings schon mehrmals darauf, dass die Gemeinde bei Genehmigungen in Gewerbeangelegenheiten gar nicht zuständig sei, sondern vielmehr die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg. Die restlichen Punkte, die in dem Schreiben aufgelistet werden, kann Dieter Posch allerdings vollumfänglich zustimmen. „Wenn die Petition nicht an mich selbst gerichtet wäre, hätte ich sie auch unterschrieben“, sagt er. Der Forderung einen Bürgerbeteiligung bei der Erstellung des Entwicklungskonzeptes werde man nicht nur nachkommen, man habe sie sogar jetzt schon offiziell verankert.

Termin für erstes Bürgertreffen ist noch offen

Schon in der vergangenen Legislaturperiode des Gemeinderats wurde eine Grundlagenforschung im Zusammenhang mit dem örtlichen Entwicklungskonzept in Auftrag gegeben. Dabei wurde auch über die Methodik und die Prozesse, wie dieses Entwicklungskonzept erarbeitet werden soll, gesprochen. „Eine Bürgerbeteiligung wurde als fixer Bestandteil mit aufgenommen.“ Zudem sei das auch gesetzlich so vorgesehen, betont Posch. Wann genau das erste Treffen mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfinden wird, dafür gibt es allerdings derzeit noch keinen fixen Termin.

Schügerl erwidert, dass die gesetzlich festgeschriebene „Bürgerbeteiligung“ sich auf eine achtwöchige öffentliche Auflage beschränke, in der allgemein Einsicht genommen werden kann. „Wir verstehen aber unter Bürgerbeteiligung mehr. Einen Prozess, in dem die Entwicklung unserer Gemeinde von möglichst vielen Neudörflerinnen und Neudörflern getragen und mitgestaltet werden kann, mit Arbeitsgruppen und Workshops und begleitet von einem Raumplanungsbüro, so wie wir das schon im Rahmen ‚Neudörfl 2020‘ vor über zehn Jahren hatten.“ Auch Bürgermeister Posch verweist auf das Dorferneuerungsprojekt „Neudörfl 2020“. „Leider war der Zuspruch und Zulauf damals nicht so stark, wie wir uns das gewünscht hätten, aber die Bürgerinnen und Bürger konnten sich natürlich beteiligen.“

Neudörfl ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Sehr viel wurde gebaut – für manche in der Bevölkerung zu viel. Sabine Schügerl, Grün-Gemeindevorständin

Konkrete Punkte, die im Entwicklungskonzept enthalten sein werden, kann der Bürgermeister im aktuellen Stadium des Prozesses noch nicht bekannt geben. Das Entwicklungskonzept soll allerdings solche Kernthemen wie Bildung, Sicherheit oder auch Wohnungsbau umfassen.

„Neudörfl ist in den letzten Jahren rasant gewachsen“, “, so Schügerl, „sehr viel wurde gebaut – für manche in der Bevölkerung zu viel. Wenn es seitens des Bürgermeisters das Bekenntnis für Zuzug und günstigen Wohnraum gibt, dann hätte sich der Gemeinerat schon vor einigen Jahrzehnten Gedanken machen müssen, wohin sich Neudörfl entwickeln will.“ Die Infrastruktur würde nicht so schnell wie die Bevölkerungszahl anwachsen. Das zeigt sich aktuell an Kinderkrippe und Kindergarten. „Hätte ich 2014 nicht politischen Weitblick bewiesen und auf den steigenden Bedarf durch die wachsende Bevölkerung hingewiesen, wäre das Grundstück neben dem Kindergarten damals verkauft worden und heute müssten wird die Erweiterung der Kinderbetreuungseinrichtung irgendwo anders hin bauen. Man muss auch das große Ganze im Blick haben.“

Unter den Parteivorsitzenden und Gemeinderäten aller Parteien, an die die Petition ebenfalls gerichtet ist, lässt sich im Moment – wenig überraschend – niemand ausfindig machen, der oder die sich gegen eine Bürgerbeteiligung in dieser Sache aussprechen würde. Michael Sgarz, Vizebürgermeister und SPÖ-Ortsparteivorsitzender sagt dazu: „Bürgerbeteiligung ist in Neudörfl gelebte Praxis. Bei jeder Gasse, die saniert wird, sind die unmittelbaren Anrainer zum aktiven Mitgestalten eingeladen. Für das örtliche Entwicklungskonzept wurde für diese Gemeinderatsperiode im letzten Herbst sogar ein eigener Ausschuss ins Leben gerufen. Würde es all das nicht geben, hätte ich die Petition auch unterschrieben.“ Michael Sgarz sagt weiter, er freue sich bereits, wenn möglichst viele Neudöflerinnen und Neudörfler im Zuge des Entwicklungskonzeptes aktiv an der Gestaltung ihrer Gemeinde mitarbeiten.

Die 400 Unterzeichner gegen ein deutliches Signal, dass Unzufriedenheit besteht.

FPÖ-Ortsparteivorsitzender Robert Perger sagt, dass die bisher knapp vierhundert Unterzeichner der Petition ein deutliches Signal darstellen, dass die Bürger mit der Baupolitik in Neudörfl unzufrieden sind. „Ich sehe hier einen klaren Auftrag an die Politik, endlich zu handeln und einen vernünftigen Bebauungsplan zu präsentieren. Bei der weiteren Entwicklung von Neudörfl muss man mit offenen Karten spielen, um das Vertrauen wieder zu stärken. Bei so einem komplexen Thema wie einem Bebauungsplan stelle ich mir die Umsetzung eines Bürgerbeteiligungsverfahrens aber mehr als schwierig vor, ich bin jedoch auch gerne für Gespräche bereit.“

Hier geht es zur Petition.