225 Personen geschädigt: Spielsüchtiger kassierte Lohnsteuerausgleich

Erstellt am 31. März 2023 | 00:00
Lesezeit: 4 Min
Der 45-jährige Kellner hatte sich in fremdem Namen in Finanzonline eingeloggt und Steuerguthaben kassiert.
Der 45-jährige Kellner hatte sich in fremdem Namen in Finanzonline eingeloggt und Steuerguthaben kassiert.
Foto: Foto: BVZ/Kirchmeir, BVZ/Kirchmeir
Als „perfides Vorgehen“ bezeichnete die Staatsanwältin die zahlreichen Betrugshandlungen eines 45-jährigen Kellners: Er hatte sich im Namen anderer in Finanzonline eingeloggt und deren Steuerausgleich im Gesamtausmaß von 288.914 Euro kassiert.

Am 30. März 2023 musste sich der Kellner aus dem Bezirk Neusiedl wegen schweren gewerbsmäßigem Betrug vor Gericht verantworten.

Von 2020 bis 2022 hatte er als Mitarbeiter eines österreichischen Versicherungsunternehmens seine Befugnisse massiv missbraucht.

Der Angeklagte hatte als Versicherungsberater die Berechtigung, Registrierungen für die sogenannte Handysignatur vorzunehmen. Mit der Handysignatur erhält man auch Zutritt zum Portal von Finanzonline, wo man sich im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung jährlich das Lohnsteuerguthaben auszahlen lassen kann.

Opfer willkürlich auf Facebook ausgewählt

Im Namen seiner Kunden und willkürlich auf Facebook ausgewählter ungarischer Kurzarbeiter legte der Angeklagte zahlreiche Handysignatur-Konten an. Dafür verwendete er extra zu diesem Zweck erworbene Sim-Karten, die er in sein Handy einlegte.

Er loggte sich unter falscher Identität in Finanzonline ein und ließ sich in 225 Fällen den Lohnsteuerausgleich auf Scheinkonten überweisen, auf die er Zugriff hatte.

Dadurch entstand für die Republik ein Gesamtschaden von 288.914 Euro.

Der erste Fall: Im Namen eines Bekannten 300 Euro kassiert

„An den ersten Fall kann ich mich erinnern“, sagte der Angeklagte vor Gericht. „Ein Bekannter bat mich, ihm bei der Arbeitnehmerveranlagung zu helfen. Ich sah, dass er 2015 oder 2016 keine Arbeitnehmerveranlagung gemacht hatte. Es waren 300 Euro, das war verlockend.“

Danach habe sich daraus „eine Spirale“ ergeben. Der Angeklagte hinterging auch Fußballspieler, darunter einen prominenten Kicker, der bei Salzburg spielte. „Auf ihn kam ich, weil er mein Liebblingsspieler ist“, sagte der Angeklagte. 12.000 Euro kassierte er im Namen des Kickers vom Finanzamt.

„Da muss man sich ja fürchten, Ihr Lieblingsspieler zu sein“, sagte Richterin Karin Lückl.

Bei Fußballspielern wäre noch viel mehr zu holen gewesen...

Zu seiner Entlastung gab der Angeklagte an, er hätte bei den Fußballspielern noch viel mehr Steuerrückzahlungen lukrieren können: „500.000 Euro habe ich mir nicht ausgezahlt“, erzählte er.

Seit 2011 hatte der Angeklagte die Gutgläubigkeit von Bekannten ausgenützt und sie überredet, ihm Darlehen zu gewähren. Zwölfmal wurden dem Mann Beträge von bis zu 35.000 Euro ausgehändigt.

Ein Bekannter nahm für den Angeklagten sogar einen Kredit auf, um ihn zu unterstützen.

Den Großteil des betrügerisch erschlichenen Geldes investierte der Angekalgte in Bitcoins und Wetten. Nur wenig Geld sei in die Rückzahlung seiner Schulden geflossen, gab der Kellner zu.

Den Großteil des Geldes verzockte der Spielsüchtige

„Die Geschäfte, die ich aufbaute, liefen gut, aber ich habe es immer mit dem blödsinnigen Spiel versaut“, gab sich der Angeklagte selbstkritisch. Seit vielen Jahren waren unzählige Exekutionen gegen ihn anhängig.

Seit 2016 ist der Mann in einem Schuldenregulierungsverfahren, das noch bis Mai 2023 läuft.

„Ich hatte die letzten elf Monate Zeit, darüber nachzudenken“, sagte der Angeklagte. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich das war.“

Seit dem Vorjahr ist er wegen seiner Spielsucht und seines schlechten Gewissens den Opfern gegenüber in Therapie.

„Die letzten elf Monate waren die schönsten...“

„Die letzten elf Monate waren die schönsten meines Lebens, so paradox das klingt“, sagte der Betrüger. „Der Druck war weg. Ich muss nichts mehr verheimlichen und habe kein Verlangen nach dem Spielen mehr.“

Er zahle seine Schulden in kleinen Beträgen zurück. „Was geht, mache ich. Ich werde mein ganzes Leben lang Schulden zurückzahlen“, sagte der Kellner.

Schuldig bekannte er sich auch zu einem Nebenschauplatz des Prozesses: Am 21. November 2022 hatte der Kellner einem betrunkenen Gast einen Schlag ins Gesicht versetzt, wobei der Gast einen Nasenbeinbruch erlitt.

Ein Jahr unbedingte Haft - Fußfessel ist möglich

Er wurde wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs und schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt, davon ein Jahr unbedingt. An den Staat muss er 2.600 Euro bezahlen, an drei Opfer ca. 25.000 Euro.

„Da war eine unglaubliche kriminelle Energie vorhanden“, sagte die Richterin. „Sie müssen sehen, dass Sie die Schäden weiter gutmachen“, gab sie dem Angeklagten mit auf den Weg. Und sie riet ihm, einen Antrag auf Verbüßung der Haftstrafe mit Fußfessel zu stellen, damit er weiter seiner Arbeit nachgehen könne.

Der Angeklagte nahm das Urteil an, auch die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel.